Meine persönlichen Abschiedsmomente von meinem Vater, verfasst am Jahresende, 31.12.2018
Es war eine schwere Pflege, vor allem für meine Zwillingsschwester und meine Mutter, die seit Jahren fast rund um die Uhr für ihn da waren und selber schwer krank wurden in diesen Tagen. Es gab viele „tiefe Todesnächte“! Dann sprang meine große Schwester Johanna ein, obwohl die Urlaub nehmen musste und weit weg war. Sie hatte den richtigen Zeitpunkt: In der Woche, in der sie da war, starb er dann nach dem Gebet von Psalm 23 in ihrer Gegenwart und der meiner Mutter. Für mich kam die WhatsApp-Nachricht am Nachmittag dann doch überraschend. Denn obwohl mein Vater eine Form von Parkinson hatte, wo man nicht zittert, sogar immer wieder klare Momente und gute Tage hat und fast täglich aufstehen kann und am Tisch mit Hilfe mitessen (das war sehr schön bis zum Schluss), so hatten die Ärzte schon mehrfach das Jahr davor gesagt, er lebe höchstens noch eine Woche. Das war jeweils sehr traurig, vor allem wenn man wieder abreisen musste und man sich verabschiedete. Ich erinnere mich, wie er mir im Sommer vor der Bundestagswahl (Sept. 2017) sagte, wie merkwürdig ihm das vorkomme, dass alle im Haus über diese Wahl redeten, er aber damit rechne, dann nicht mehr zu leben (er erlebte es ja dann doch). Sein Bruder Walter aus Dortmund, ein Arzt, und dessen Frau Dagmar halfen ihm und uns allen unheimlich viel mit Rat und zupackender Tat. Mein Bruder Gerhard war mit ihm nochmal auf dem Balkon vier Tage vor dem Tod. Alle beteiligten sich an der Pflege und der Organisation drum rum bis zum Rand der Erschöpfung (mein Beitrag war einer der kleineren). Zweimal am Tag kam die Diakonie. In den letzten Wochen konnte ich drei Nachtwachen übernehmen (aber auch da konnte ich meistens schlafen). Mein Vater sang erstaunlich schön in der Nacht seine auswendig gelernten Paul-Gerhardt-Choräle, wenn er nicht schlafen konnte. Eine Nacht liefen wir durchs Haus, weil er Bewegung brauchte. Da erkannte er mich nicht und siezte mich. Die dritte Nacht beteten wir zusammen und er sprach ganz klar zu mir, wo er sonst nur mühsam sprechen konnte und unklare Gedanken hatte: Morgen reist Du ab, eigentlich schade. Jedenfalls sind diese gemeinsamen Erlebnisse auf dem letzten, schweren Lebensweg, den er gelassen und heldenhaft ging, unbezahlbar für mich. Und wir glauben, dass wir uns wiedersehen ohne Leid, Streit und Krankheit.